DIE PATIENTENVERFÜGUNG
Die meisten Menschen sterben heute nicht zu Hause, sondern im Krankenhaus oder in der Pflegestation eines Altenheims. Diese Vorstellung löst bei vielen Menschen besondere Ängste aus. Sie fürchten, dass man sie nicht in Ruhe und Würde sterben lässt, dass das Leiden und Sterben möglicherweise unnötig in die Länge gezogen wird.
Nicht selten beruhen diese Befürchtungen auf Erfahrungen im Familien- oder Freundeskreis. Folgender Fall mag dies verdeutlichen:
Frau L. hat vor zwei Jahren ihren Ehemann verloren. Er starb an Krebs. Besonders die letzten Wochen vor seinem Tod hat Frau L. sehr schlimm in Erinnerung. Sie erzählt: „Es war klar, dass eine Heilung nicht mehr möglich sein würde. Mein Mann, er war damals 71, war sich seiner Situation bewusst. Er sagte mir, er wünsche - wenn es soweit sei - nicht, dass technische Geräte zur kurzfristigen Lebensverlängerung eingesetzt werden. Er wolle in Würde sterben. Und dann ist alles doch ganz anders gekommen,“ erinnert sich Frau L. „Die Chemotherapie setzte ihm stark zu. Die Blutwerte verschlechterten sich erheblich. Dennoch empfahlen die Ärzte eine erneute Chemotherapie. Und so begann eine Entwicklung, die mein Mann, hätte er noch selbst entscheiden können, sicherlich nicht gewollt hätte. Immer mehr technische Geräte, immer mehr Abhängigkeit und medizinische Zwänge. Schließlich wurde er sogar noch einige Tage an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Die Ärzte meinten, mit der Fortsetzung der intensiv-medizinischen Behandlung im vermeintlichen Interesse meines Mannes zu handeln und ich glaube, es war für sie leichter, immer mehr Technik einzusetzen, als zu entscheiden, die Behandlung auf Linderung der Schmerzen zu beschränken.“
Nicht wenige Menschen haben auch bei Besuchen von Angehörigen oder Freunden in der Pflegestation eines Altenheimes erlebt, wie jemand monate- oder sogar jahrelang im Koma lag und künstlich ernährt wurde. Solche Erfahrungen führen oft zu der Erkenntnis, dass der eigene Tod nicht so sein soll. Man will nicht, dass es einem genauso ergeht.
Hier kann die Patientenverfügung weiterhelfen.
Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts, das am 1.9.2009 in Kraft getreten ist, wurde die Patientenverfügung im Gesetz verankert. Damit ist für alle Beteiligten mehr Rechtssicherheit entstanden. Das Gesetz selbst definiert in § 1901 a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), was eine Patientenverfügung ist, und normiert ihre Bindungswirkung.
Jede medizinische Maßnahme bedarf der Zustimmung des Betroffenen. Ist eine Person selbst noch entscheidungsfähig, ist es ihre Sache, die Einwilligung zu erteilen. Was aber geschieht, wenn ein Mensch nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zu äußern? Auch dann kommt es auf seine Erklärung an, und zwar auf die Erklärung, die er in gesunden Tagen für diesen Fall abgegeben hat - nämlich die Patientenverfügung. "Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt" - das ist die Definition des Gesetzes. Diese Erklärung ist verbindlich, wenn sich daraus für die konkrete Behandlungssituation der Wille des Erklärenden eindeutig und sicher feststellen lässt.
Neu ist, dass die Patientenverfügung nach der ausdrücklichen Regelung des Gesetzes schriftlich abgefasst sein muss. Mündliche Erklärungen sind zwar nicht ohne jede Wirkung - sie können aber nur Berücksichtigung finden, wenn es um die Frage geht, was der mutmaßliche Wille des einwilligungsunfähigen Patienten wäre. Wenn Sie also Ihr Selbstbestimmungsrecht als künftiger Patient wahren und eine echte Patientenverfügung abfassen wollen, ist eine schriftliche Erklärung zwingend notwendig. Einer notariellen Beurkundung bedarf es nicht.
Das Hauptproblem der Bindungswirkung liegt auch nach der gesetzlichen Regelung in der konkreten Verfügung selbst. Denn es muss geprüft werden, ob die Festlegungen der Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Dies setzt voraus, dass die Verfügung inhaltlich klar genug ist und keinerlei Auslegungsfragen über das Gewollte aufkommen lässt. Es muss zudem sicher sein, dass das Geschriebene auch für die jetzt eingetretene Situation noch gelten soll, also nach wie vor aktuell ist und nicht etwa aufgrund der neuen Situation eine Willensänderung eingetreten ist.
Keiner ist verpflichtet, eine Patientenverfügung zu machen. Diese Regelung ist sogar ausdrücklich in das neue Gesetz aufgenommen. Deshalb können Sie für sich entscheiden, keine Vorsorge zu treffen und die Dinge einfach laufen zu lassen. Das Gesetz stellt auch ausdrücklich klar, dass die Errichtung oder Vorlage einer Patientenverfügung nicht zur Bedingung für einen Vertragsabschluss gemacht werden darf (wenn Sie etwa in ein Seniorenheim wechseln),
Und natürlich können Sie eine Patientenverfügung jederzeit widerrufen - auch formlos.
Wenn Sie sich für eine Patientenverfügung entscheiden, sollten Sie sich eingehend mit der Problematik beschäftigen. Denn es ist nicht einfach, eine Patientenverfügung so zu formulieren, dass die oben aufgeführten Zweifel nicht entstehen. Zunächst einmal ist es wichtig, dass Sie selbst die notwendige Klarheit gewinnen. Und dies setzt voraus, dass Sie sich nicht nur mit dem Tod, sondern mit dem Sterben selbst befassen. Das ist für keinen einfach. Der Gedanke an den Tod wird nur zu gerne verdrängt. Dies ist der Grund, warum viele Menschen kein Testament machen. Noch schwerer ist es, sich vorzustellen, wie es ist, wenn man etwa nach einem Schlaganfall nicht mehr ansprechbar ist und sich nicht mehr
bewegen kann oder wenn man bei der Diagnose Krebs nach mehreren Operationen schließlich erfährt, dass keine Heilungschance mehr besteht. In solche und ähnliche Situationen muss man sich aber versetzen, um für sich zu einem Ergebnis kommen zu können.
Denken Sie deshalb - vielleicht anhand eines Falles, den Sie miterlebt haben - über Fragen der Intensivmedizin nach. Beschäftigen Sie sich insbesondere mit Maßnahmen zur Beatmung. Machen Sie sich bewusst, was es heißt, im Zustand der Bewusstlosigkeit mit einer Magensonde ernährt zu werden.
Ganz schwer ist es, sich mit einer Patientenverfügung zu befassen, wenn Sie aufgrund einer schweren Erkrankung befürchten müssen, dass die Verfügung vielleicht schon bald zum Einsatz kommen kann. Aber dann ist es erst recht wichtig. Denn dann wissen Sie - am besten nach medizinischer Aufklärung -, welche Dinge auf Sie zukommen können. Und Sie können dann konkret bestimmen, welche Maßnahmen wann noch durchgeführt werden sollen und welche auf keinen Fall.
Eine gute Hilfe ist es, einfach niederzuschreiben, warum man eine Patientenverfügung machen will. Wenn der Anstoß dazu auf einer konkreten Erfahrung im Familien– oder Freundeskreis beruht, dann schildern Sie das und legen dar, was Sie selbst in einem solchen Fall gewollt hätten. Daraus kann sich eine allgemeine Werthaltung ableiten lassen, die später handlungsleitend werden kann. Denn nicht für alle denkbaren Situationen können Sie vorab Festlegungen treffen.
Wenn Sie gewissermaßen in guten Tagen eine Patientenverfügung erstellt haben, dann sollten Sie diese von Zeit zu Zeit überprüfen und dies auch deutlich machen. Dadurch wird verhindert, dass man - unter Umständen Jahre später - zweifelt, ob dies noch Ihr aktueller Wille ist. Besonders wichtig ist dies, wenn Sie, nachdem Sie eine Patientenverfügung gemacht haben, schwer erkranken. Dann sollten Sie Ihre Verfügung daraufhin überprüfen, ob Ihre Krankheit vielleicht zu einer Änderung der Bewertung führt. Konkretisieren Sie nach Möglichkeit Ihre Anweisungen und vermerken Sie auf alle Fälle, dass Sie aufgrund der neu eingetretenen Situation Ihre Verfügung überdacht haben.
Ganz wichtig ist, dass Sie genau beschreiben, für welche Fälle Ihre Patientenverfügung gelten soll.
In Betracht kommen mehrere Möglichkeiten.
Sie können Vorsorge treffen für den Fall, dass Sie im Sterben liegen. Sie können darüber hinaus Bestimmungen treffen für den Fall einer unheilbaren Erkrankung, bei der der Todeszeitpunkt noch nicht feststeht. Sie können aber auch noch weitergehen und die Fälle der Dauerbewusstlosigkeit oder des Wachkomas aufgrund einer Gehirnschädigung einbeziehen oder auch die Fälle einer Gehirnschädigung infolge eines weit fortgeschrittenen Hirnabbauprozesses (z. B. Demenzerkrankung). Das neue Gesetz sieht ausdrücklich die Geltung einer Patientenverfügung für jede Art und jedes Stadium einer Erkrankung vor.
Ferner sollten Sie Festlegungen zu folgenden medizinischen Maßnahmen treffen: Lebenserhaltende Maßnahmen, Wiederbelebung, künstliche Flüssigkeitszufuhr und künstliche Ernährung (insbesondere Magensonde durch die Bauchdecke, Zugang über die Vene), künstliche Beatmung, Gabe von Antibiotika, Bluttransfusion.
Es gibt heute eine kaum noch überschaubare Anzahl von vorformulierten Patientenverfügungen. Aber: Mit Vordrucken lässt sich all das, was notwendig ist, nicht immer lösen. Bei vorformulierten Erklärungen besteht nicht selten die Gefahr, dass es zu den oben beschriebenen Auslegungsschwierigkeiten kommt. In vielen Mustern werden medizinische Fachbegriffe verwendet, die ein Laie kaum kennen kann. Dies führt im Ernstfall sofort zu der Frage, ob das, was Sie unterschrieben, wirklich Ihrem Willen entsprach. In manchen Formularen ist vorgesehen, bestimmte Passagen anzukreuzen. Bei nur oberflächlichem Ausfüllen besteht hier die Gefahr sich widersprechender Erklärungen – und damit ist im Ernstfall auch nichts gewonnen.
Setzen Sie deshalb nicht einfach nur schnell Ihre Unterschrift unter irgendein Formular. Nehmen Sie ruhig Muster als Hilfe für Ihren eigenen Entscheidungsfindungsprozess. Überlegen Sie, was für Sie wichtig ist, was Sie festlegen wollen. Wenn Sie soweit gekommen sind, dann können Ihnen Muster weiterhelfen, insbesondere dann, wenn Sie selbst keine rechte Vorstellung haben, wie man was am besten ausdrückt. Zu Ihrer Information ist in dieser Broschüre ein Mustertext enthalten. Den können Sie verwenden, aber bitte erst, wenn Sie alles sorgfältig durchdacht haben.
Eine Patientenverfügung ist von Ärzten stets zu beachten. Es gibt aber Fälle, in denen der Patientenwille nicht vollständig klar ist, sondern erst noch ermittelt werden muss. Dann ist es wichtig, dass es eine Person gibt, die Ihre Interessen in dieser Situation wahrnimmt. Das sollte am besten eine Person sein, der Sie vertrauen und die Sie ausdrücklich bevollmächtigt haben. Hier hat die Vorsorgevollmacht zusätzliche Bedeutung. Wenn Sie eine Person bevollmächtigen wollen oder auch schon bevollmächtigt haben, Sie in Gesundheitsangelegenheiten zu vertreten, sollten Sie Ihre Patientenverfügung unbedingt mit ihr besprechen.
Wenn Sie niemandem eine Vollmacht erteilt haben, wird das Betreuungsgericht im Bedarfsfall für Sie einen Betreuer/eine Betreuerin bestellen. Betreuerinnen und Betreuer sind ebenso wie Bevollmächtigte verpflichtet zu prüfen, ob die Festlegungen der Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen und, wenn dies der Fall ist, ihnen Ausdruck und Geltung zu verschaffen.
Es ist also sehr sinnvoll, eine Patientenverfügung mit einer Vorsorgevollmacht für Gesundheitsangelegenheiten oder zumindest mit einer Betreuungsverfügung mit einem Betreuungsvorschlag zu kombinieren.
In der notariellen Praxis spielen Patientenverfügungen heute schon eine große Rolle. Unsere Notare sind deshalb hier sehr sachkundig. Insbesondere dann, wenn Sie in Erwägung ziehen, eine Patientenverfügung mit einer Vorsorgevollmacht zu verbinden, kann notarielle Hilfe sinnvoll sein.
Zur Aufbewahrung gilt das, was für die Vorsorgevollmacht und die Betreuungsverfügung allgemein gesagt worden ist. Gerade bei einer Patientenverfügung ist es wichtig, wenn möglichst viele Personen wissen, dass Sie Ihren entsprechenden Willen niedergelegt haben, damit die Erklärung auch möglichst schnell gefunden werden kann. Auch hier empfiehlt es sich, die Informationskarte, auf der Sie notiert haben, dass Sie eine Patientenverfügung haben, mit sich zu führen.
Wenn Sie eine Vorsorgevollmacht bei dem Zentralen Vorsorgeregister anmelden, können Sie dort auch eintragen lassen, ob Sie besondere Wünsche zu Art und Umfang medizinischer Versorgung haben.
(Quelle: Broschüre „Wer hilft mir, wenn …“ vom Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz)
Achtung:
- Formulare von Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung, entsprechendes Informationsmaterial und eine kostenlose Beratung zu diesen Themen erhalten Sie beim AWO-Betreuungsverein Zweibrücken e.V., Jakob-Leyser-Str. 1, 66482 Zweibrücken,Tel. 06332 - 16014 (Ansprechpartnerin Stephanie Thees, Vertretung Jennifer Fischer), Sprechzeiten: montags – freitags jeweils von 9-12 Uhr, nachmittags nach Vereinbarung
- Ein Vordruck „Patientenverfügung“ kann auf der Homepage des Ministeriums der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz unter www.justiz.rlp.de über den Pfad „Ministerium/Broschüren“ im DINA4-Format einzeln abgerufen werden.
Ansprechpartner
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